Akte NRW – Das Sterben der Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen

Engagierte Eltern erstellen digitale Karte der Geburtshilfe / Erstmals Überblick über alle vorhandenen geburtshilflichen Einrichtungen / Analyse zeigt: Auswirkungen der Kreißsaalschließungen für Familien fatal

„Wo in der Nähe soll unser Kind zur Welt kommen?“ – Diese Frage stellen sich werdende Eltern schon früh. Während in Ballungsräumen und Großstädten für Eltern die Qual der Wahl herrscht, müssen sich Gebärende auf dem Land immer öfter auf lange Anfahrtswege einstellen. Je nach Wohnort sind das bereits heute bis zu 45 Pkw-Minuten – unter Wehen. Engagierte Eltern haben für ganz Nordrhein-Westfalen eine digitale Karte aller Entbindungskliniken und Geburtshäuser erstellt.
Mit der Onlinekarte der Geburtshilfe können Schwangere jetzt die nächstgelegenen geburtshilflichen Einrichtungen finden und die Entfernung vom Wohnort einfach berechnen. Zudem besteht die Möglichkeit, sich das Ausmaß der Schließung von Kreißsälen und Geburtshäusern der letzten 15 Jahre anzusehen.

Schließungen trotz steigender Geburtenzahlen

Während die Geburtenzahlen seit den letzten Jahren wieder ansteigen wurden allein in den vergangenen 15 Jahren über 16 Prozent aller geburtshilflichen Einrichtungen geschlossen. Als Folge steht Frauen in den meisten Regionen Nordrhein-Westfalens eine ortsnahe Geburtshilfe oder gar die freie Wahl des Geburtsortes nicht mehr zur Verfügung. Besonders betroffen ist der Regierungsbezirk Münster. Allein 13 Schließungen von Einrichtungen verschärfen hier, bei gleichzeitigem Hebammenmangel, die Versorgungssituation von Schwangeren.

Trend: Längere Anfahrten und mehr Kaiserschnitte

Nicht das Argument der sinkenden Geburtenzahlen sei ausschlaggebend für die Schließungen, sondern die Streichung der Geburtshilfe aus der Grundversorgung. Damit entfällt die garantierte Erreichbarkeit eines Kreißsaals innerhalb von 20 Kilometern. Gebärenden Frauen werden damit bewusst lange Anreisewege zugemutet und in letzter Konsequenz auch die Risiken für Mutter und Kind, die sich daraus ergeben. Setzt sich die derzeitige Entwicklung fort, müssen sich Eltern langfristig wohl auf eine Anfahrtszeit von bis zu 60 Pkw-Minuten einstellen – dies ist die festgelegte Maximalentfernung zum nächsten Perinatalzentrum.

Aus der Analyse der geburtshilflichen Situation geht hervor, dass die Regierungsbezirke, die am stärksten von der Schließung geburtshilflicher Einrichtungen betroffen waren, auch die höchsten Kaiserschnittraten aufweisen. Die Anzahl der Kaiserschnitte in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten 15 Jahren drastisch erhöht: Jedes dritte Kind kommt mittlerweile nach einer Operation auf die Welt. Mit 33,1 Prozent operativen Geburten lag das Land 2013 über dem Bundesdurchschnitt von 31,8 Prozent. Vor 15 Jahren betrug der Anteil der Kaiserschnitte lediglich 22 Prozent.

Projekt Akte NRW

Das Gemeinschaftsprojekt „AKTE NRW“ entstand aus den Fragestellungen,

  • wo können Frauen heute noch ihr Kind gebären und
  • wie hat sich die Schließungswelle geburtshilflicher Einrichtungen der letzten Jahre in NRW bemerkbar gemacht.

Da es keine aktuelle Auflistung der Kliniken und Geburtshäuser in NRW gibt und auch kein Überblick bereits geschlossener Einrichtung vorhanden ist, haben sich Eltern aus Münster, Düsseldorf, Köln und Bonn zusammengeschlossen, um die aktuelle geburtshilfliche Situation zu dokumentieren und zu analysieren.

Die online veröffentlichte „AKTE NRW“ gibt einen detaillierten Einblick in die Geburtenzahlen, die Anzahl offener und geschlossener Einrichtungen der Geburtshilfe, die Situation der außerklinischen Geburtshilfe und die Kaiserschnittzahlen in den Regierungsbezirken. Die dazu gehörige Onlinekarte basiert auf Google Maps. Sie gibt einen visuellen Überblick und hilft Eltern vor Ort die nächstgelegenen Geburtseinrichtungen zu finden.

Hier geht es zur Onlinekarte: Klicken Sie dazu bitte auf das Bild

AKTE_NRW-Geburtshilfe

Auszug aus dem Inhalt
***Nordrhein-Westfalen – geburtenstark und versorgungsschwach?

***Schließungen von Kreißsälen und Geburtshäusern

***Außerklinische Geburtshilfe – Geburtshäuser

***Zentralisierung der Geburtshilfe

***Kaiserschnittrate

***Geburt am Fließband oder bedürfnisorientierte Geburtshilfe?


aktuelle Ankündigungen von Schließungen

Die St. Anna-Klinik in Wuppertal Elberfeld wird zum Ende des jahres 2015 geschlossen

Kritische Lage der Geburtshäuser

Das Geburtshaus in Viersen bangt um seine Existenz

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#Akte NRW wurde am 11.Mai 2015 auf folgenden
Blogs veröffentlicht: aberWehe  |
Registrierung und Aufzeichnung von Herzschlagfrequenzen
und Elternprotest Düsseldorf |Regionalgruppe der Elterninitiative Hebammenunterstützung

+++Akte NRW wurde am 11. Mai 2015 veröffentlicht. Alle Daten und Analysen, die sich auf die Recherche offener und geschlossener Einrichtungen beziehen, basieren auf dem Recherchestand von Februar 2015. Alle Angaben ohne Gewähr.

4 Kommentare

  1. […] Akte NRW – Das Sterben der Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen. Mit interaktiver Karte aller Geburtshilfeeinrichtungen in NRW! Veröffentlicht wird die aktuelle […]

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  2. […] das Sterben der Geburtshilfe jetzt von der dortigen Elterninitiative dokumentiert, in der Akte NRW (https://aberwehe.wordpress.com/2015/05/11/akte-nrw-das-sterben-der-geburtshilfe-in-nordrhein-westfal…), wir wollen eine Akte […]

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  3. Christiane Middel · · Antworten

    Leider habe ich die Entbindungsstation in Neheim-Hüsten (Arnsberg) nicht auf ihrer Karte verzeichnet finden können. Dafür soll nun die Entbindungsstation in der Kreisstadt Meschede geschlossen werden, aktuelle Proteste laufen gerade an.

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    1. Danke, Christiane. Neheim Hüsten ergänze ich bald. Die Akte NRW ist bereits in der Überarbeitung. Von den Protesten in Menschede habe ich schon gelesen. Ich wünsche allen Beteiligten viel Kraft.

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